Wissenswertes über den Kraftstoff HVO

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Gesetzeslage

Bundesratsgebäude Bundesrat
Bundesrat billigt 10. BImSchV

Ende März hat der der Bundesrat die Überarbeitung der mittlerweile 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung (10. BImSchV) verabschiedet. In dieser Verordnung sind die grundsätzlichen Anforderungen hinsichtlich des Vertriebs, Verkaufs, Auszeichnung und der Beschaffenheit aller auf dem Markt befindlichen Kraftstoffe festgelegt. Aufgrund der Gesetzesnovellierung dürfen deutsche Tankstellen nun erstmals zu 100 Prozent Dieselkraftstoffe aus erneuerbaren Quellen tanken. Alles Wissenswerte über die neu zugelassenen Kraftstoffe, insbesondere HVO100 finden Sie hier im Überblick.

Was ist HVO?

Inhaltsstoffe: Die Abkürzung HVO steht für "Hydrotreated Vegetable Oil", übersetzt: "hydriertes Pflanzenöl", uns beschreibt die ersten derartig umgesetzten Produkte. Der Kraftstoff besteht heute aus organischen Abfall- und Reststoffen. In den meisten Fällen handelt es sich um biologische Altfette aus Großküchen oder um Tierfette. Daneben werden aber auch Holzreste, Zelluloseabfälle, Fischreste, Gülle, Klärschlamm, neuartige Pflanzenöle und in naher Zukunft sogar Kunststoffe als Ausgangsstoffe verwendet. Die Verwendung von Palmöl ist dagegen wegen Umweltrisiken im Plantagenanbau unerwünscht, weshalb Treibstoffe auf dieser Basis seit Anfang 2023 nicht mehr in der europäischen Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) angerechnet werden. Nach einer Reinigung werden die Ausgangsstoffe in einem chemischen Verfahren mit Wasserstoff versetzt und in energiehaltige Treibstoffe umgewandelt. Diese zählen per Definition zu den sogenannten paraffinischen Kraftstoffen.

Physikalische Eigenschaften und Tauglichkeit: In seiner Beschaffenheit ist HVO dem fossilen Diesel sehr ähnlich. Unterscheidungen liegen vor allem in folgenden Parametern vor: Die Dichte von HVO liegt bei etwa 780 kg/m3(Normwerte 760 - 800 kg/m3). Sie ist also deutlich niedriger als bei fossilen Dieselkraftstoffen (820 - 845 kg/m3). Außerdem liegen die Werte für die Cetanzahl von HVO mit 70 bis zu 99 deutlich höher als bei herkömmlichem Diesel (ca. 51 bis 60), was zu einer schnelleren Selbstzündung führt. Aufgrund der schnelleren Selbstzündung sind sowohl die HC-Emissionen als auch die CO-Emissionen im unteren Lastbereich und insbesondere bei kalten Wetterbedingungen deutlich geringer. Weil HVO zudem keinen Sauerstoff enthält, kann der Kraftstoff auch über einen längeren Zeitraum sehr gut gelagert werden. Darüber hinaus weist HVO eine geringere Toxizität auf.

Treibhausgasemissionen: Je nach Rohstoffzusammensetzung der HVO-Ausgangsprodukte ist mit deren Verwendung bilanziell eine CO2-Reduzierung von bis zu 90 Prozent möglich, wie in der Erneuerbaren Energien Richtlinie hinterlegt. Der Großteil der Emissionen besteht aus Kohlendioxid. Der darin enthaltene Kohlenstoff stammt entweder aus zuvor genutzten Produkten (Abfallstoffe), oder wurde zuvor über Photosynthese aus der Atmosphäre gebunden. Im Gegensatz dazu werden bei fossilen Kraftstoffen oxidierte Kohlenstoffe aus Rohöl freisetzt, wodurch sich die absolute CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre erhöht.

Unterschiedliche Mischungsverhältnisse möglich: HVO-Kraftstoff kann in Reinform (100 Prozent) eingesetzt, oder in einem beliebigen Verhältnis mit beispielsweise fossilem Diesel gemischt werden. Dies ist möglich, da HVO die Anforderungen der DIN EN 15940 für paraffinische Dieselkraftstoffe erfüllt, welche die Qualität von Dieselkraftstoffen gewährleistet. Dies hat wiederum zur Folge, dass ein Wechsel zwischen Betankung mit HVO und fossilem Kraftstoff ohne Probleme möglich ist.

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Welche Fahrzeuge können HVO tanken?

Da HVO die Anforderungen der DIN EN 15940 für paraffinische Dieselkraftstoffe erfüllt, können die Kraftstoffe prinzipiell in jedem PKW oder Nutzfahrzeug mit modernem Dieselmotor verwendet werden. Das bestätigen auch Untersuchungen des Karlsruher Instituts für Technologie, sowie ein Dauertestlauf, dessen Ergebnisse kürzlich im Zusammenhang mit dem baden-württembergischen Forschungsprojekt "reFuels - Kraftstoffe neu denken" veröffentlicht wurden. In einem rund dreijährigen Testlauf hatte die Spedition Die Lila Logistik im Raum Stuttgart/Ludwigsburg einen Teil ihrer LKW-Flotte mit HVO betankt, während ein anderer Teil der Flotte die selbe Strecke am selben Tag mit herkömmlichem Diesel zurücklegte. Untersucht wurde, ob der paraffinische Dieselkraftstoff HVO problemlos in den bestehenden LKWs eingesetzt werden kann und ob der Einsatz auch tatsächlich zur gewünschten CO2-Reduktion führt. Beide Fragestellungen wurden uneingeschränkt mit Ja beantwortet. Für den reFuels-Projektleiter Olaf Toedter steht deshalb auch mit Blick auf den Einsatz in PKWs fest:

„Außer bei expliziten Sportvarianten sind keine potentiellen Risiken beim Einsatz von HVO in bestehenden Dieselfahrzeugen bekannt.“

(Dr. Olaf Toedter, Institut für Kolbenmaschinen, KIT)

Unterschied zu Biodiesel/FAME:

HVO wird gelegentlich mit Biodiesel verwechselt. Die Kraftstoffe unterscheiden sich allerdings deutlich in ihrer Herstellung und chemischen Zusammensetzung: Für Biodiesel werden Pflanzenöle oder Abfallstoffe in einem Prozess namens Umesterung in Fettsäuremethylester (FAME) umgewandelt. Dessen chemische Qualität variiert allerdings je nach verwendeten Ausgangsstoffen, weshalb die maximal zulässige Konzentration eines FAME-Biodiesels in einem Gemisch mit fossilem Diesel nie höher als zehn Prozent sein darf. Beim Herstellen von HVO werden dagegen die gereinigten Ausgangsstoffe (Fette und Öle) mit Wasserstoff versetzt. Dieser Prozess wird als Hydrierung bezeichnet. Das Produkt entspricht  - unabhängig von den Ausgangsstoffen - immer der Qualitätsnorm von paraffinischem Diesel, weshalb HVO in einer Konzentration von bis zu 100 Prozent verwendet werden kann. In der nebenstehenden Tabelle finden Sie die wichtigsten Daten und Werte zu den Kraftstoffen HVO, Diesel und FAME im Vergleich.

Vergleichstabelle HVO, Diesel, FAME Max Linier (db)

Übersicht der Vor- und Nachteile von HVO

Vorteile:

+ CO2-Reduktion um ca. 90%

+ Verwendung in Reinform ohne motorische

   Anpassung

+ Keine Investition in Infrastruktur notwendig

+ Mischbar mit handelsüblichem Diesel

+ Sauberes Verbrennungsverhalten, weniger

   Neigung zur Rußbildung und geringere Belastung

   der Abgasnachbehandlungssysteme

+ Emissionsreduzierung auch bei Stickoxiden,

   Kohlenstoff, Kohlenwasserstoff und

   Partikelmasse

+ Keine Aromaten/schwefelhaltige Verbindungen;

   weniger Geruch

+ Kältestabilität / Wintertauglichkeit

+ Unbegrenzt lagerbar (keine Dieselpest)

+ Gleichbleibende Qualität durch Hydrotreating-Prozess

Nachteile:

- Aktuell (noch) leichter Mehrpreis gegenüber Diesel

- Volumetrisch leicht höherer Verbrauch unter Vollast

  (+3% v.a. bei alten Aggregaten),

  ansonsten -1% im Leerlauf und

  0%, also keine Unterscheidung im Normalbetrieb

- Minimale Leistungseinbußen in bestimmten Betrieb-

  spunkten möglich (abhänigig vom Motor)

 

Wie viel kostet HVO?

Derzeit ist der Preis für HVO noch etwas höher als für herkömmlichen Diesel. In der Regel handelt es sich um fünf bis 20 Cent mehr pro Liter. Dabei sind die verwendeten Ausgangsstoffe entscheidend für die Preisgestaltung: So ist HVO aus Altspeisefetten und Altölen mit einer bis zu 90-prozentigen CO2-Ersparnis teurer als beispielsweise HVO-Kraftstoff mit einer weniger guten CO2-Bilanz aus Palmölabfall. Der Preis ist zudem maßgeblich von Steuern und Abgaben und von der Preispolitik der Unternehmen abhängig.

Immerhin wird auf HVO keine CO2-Abgabe erhoben. Dazu schreibt das Bundesverkehrsministerium BMDV auf seiner Website: " Für biogene Kraft- und Brennstoffe wird der Emissionsfaktor mit Null angesetzt, sofern diese die Anforderungen der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung erfüllen. Eine Anwendung des Emissionsfaktors von Null hat zur Folge, dass für den biogenen Kraftstoffanteil keine Zertifikate zu erwerben sind und demzufolge auch keine Erhöhung der Kosten beim Endverbraucher anfällt." Auch aus diesem Grund dürften sich die Preise für HVO 100 und fossilem Diesel mittelfristig annähern.

Wo wird HVO hergestellt?

In den vergangenen Jahren haben vor allem Mineralölkonzerne, wie Neste aus Finnland, Eni aus Italien und Total aus Frankreich, die Produktion von hydriertem Pflanzenöl in Europa aufgebaut. Inzwischen haben alle größeren europäischen Mineralölkonzerne (z.B. Repsol, Preh, Cespa, BP) entsprechende Produktionen etabliert und arbeiten an einer signifikanten Erhöhung der Produktionsmengen bis 2030. So werden nach den Daten der Internationalen Energieagentur IEA die internationalen Produktionskapazitäten auch in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen und das Angebot durch Importe ergänzen. Die abgebildeten Grafiken beruhen auf Statitiken der Internationalen Energieagentur IEA, die im Bereich der Erforschung, Entwicklung, Markteinführung und Anwendung von Energietechnologien aktiv ist. Da die Daten von ehrenamtlichen Mitarbeitern erhoben werden, erfolgen Aktualisierungen oftmals zeitverzögert. Insofern sind die hier angegebenen Produktionsmengen am unteren Level angesiedelt, während andere Studien (z.B. der franzöischen Agentur Greenea) von einer fast doppelt so hohen Kapazität bis 2025 ausgeht.